Was ist Demokratie? Grundzüge und Geschichte einer anspruchsvollen Staatsform |
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Was ist Demokratie?Kurze Einführung in eine anspruchsvolle Staatsform Die Demokratie ("Volksherrschaft") ist die wohl anspruchsvollste Staatsform - sowohl für die Regierenden wie auch für das Volk. Das Verständnis, was eine Demokratie ausmacht und im Vergleich mit anderen Regierungsformen leisten kann, hat sich im Verlauf der Jahrhunderte verändert und vertieft. Demokratie - GrundelementeEine Staatsform muss, um den Name "moderne Demokratie" zu verdienen, einige grundlegende Anforderungen erfüllen, die nicht nur in der Verfassung niedergeschrieben, sondern auch im politischen Alltag von Politikern und Behörden umgesetzt werden müssen:
Demokratie: Erfolg und KritikSehr viele Europäer und Nordamerikaner halten es für eine selbstverständliche und unumstössliche Wahrheit, dass die Demokratie die beste Staatsform sei, ohne dass sie diese Überzeugung so einfach auf Anhieb begründen könnten. In der Tat zeigt es sich, dass eine grosse Bevölkerungsmehrheit in den westlichen Industriestaaten ein Mass an persönlicher Freiheit und einen Wohlstand geniesst, der in Ländern mit anderen Staatsformen selbst unter günstigsten Rahmenbedingungen (z.B. reiche Rohstoffvorkommen bei geringer Bevölkerungsdichte) kaum je erreicht wird. In dieser Einschätzung sind sich auch die meisten politischen Parteien einig, auch wenn sie sonst sehr unterschiedliche politische Ziele und Konzepte vertreten. Allerdings gibt es auch im Westen eine recht grosse Zahl von Politikverdrossenen und eine kleine, aber recht aktive Minderheit von Leuten, die entweder die Demokratie grundsätzlich in Frage stellen oder aber die real existierenden Formen von Demokratie als unbrauchbare Umsetzungen bzw. Etikettenschwindel betrachten. Sind Freiheit und Wohlstand tatsächlich Früchte der Demokratie oder besteht etwa gar kein ursächlicher Zusammenhang? Eine wissenschaftlich stichhaltige Antwort darauf zu geben und darüber hinaus auch noch die Mechanismen aufzuzeigen, warum dies so sei, dürfte allerdings sehr schwierig sein. Churchill zur DemokratieZum Einstieg lassen wir einen demokratisch gewählten und weit herum geachteten Politiker zu Wort kommen:
«Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, Der berühmte Ausspruch des früheren britischen Premierministers Winston Churchill bringt das Problem mit den Staatsformen auf den Punkt: Die perfekte Staatsform gibt es nirgendwo auf der Welt, aber trotz aller Mängel, die auch der Demokratie anhaften, gibt es bis heute keine Staatsform, die besser geeignet ist, das Zusammenleben der Menschen zu regeln als die Demokratie. Welches sind die Argumente gegen Demokratie?Die deutsche Schriftstellerin Juli Zeh unterstellt, dass man sich nie ersthaft Gedanken gemacht habe, weshalb denn Demokratie besser funktioniere als andere Staatsformen: «Die Begründung für die Alternativlosigkeit der Demokratie kam nie über die Bemerkung hinaus, dass Demokratie die schlechteste unter aller Staatsformen sei - abgesehen von sämtlichen anderen. Trotz nachlassenden Interesses der Bürger an der Politik wagte niemand den Gedanken, dass die Demokratie sich überlebt habe, dass die Politikverdrossenheit kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein Zeichen dafür sei, dass der Wille aufhörte, vom Volke auszugehen.»(Juli Zeh, "Alles auf dem Rasen:kein Roman", Schöffling, Frankfurt am Main 2006, S.167, zitiert nach: wikiquote)
Wo liegt das Problem? Ich vermute, viele intelligente Menschen tun sich schwer mit dem Gedanken, das "gewöhnliche, weniger gebildete Volk" könne die hoch komplexen Probleme einer modernen Gesellschaft besser beurteilen als eine Auswahl der besten Köpfe. Auch Churchill scheint manchmal Gedanken in diese Richtung gehegt zu haben, wie folgendes Zitat nahe legt: «Das grösste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler.» Zudem sind die Entscheidungsprozesse in einer Demokratie in der Regel sehr deutlich langsamer als z.B. in der Wirtschaft. Es ist deshalb schwierig, auf Veränderungen zu reagieren Der Vergleich mit der Wirtschaft zeigt gleich auch einen Grund für diese Langsamkeit auf: Je grösser ein Unternehmen und je stärker das Know-How auf verschiedenste Spezialisten verteilt ist, desto länger dauern auch dort die Entscheidungsprozesse. Schon in kleinen Ländern wie der Schweiz oder Österreich ist aber die Bevölkerung mehr als 100 mal grösser als die Anzahl der Mitarbeitenden in den grössen Unternehme. Wen sollte es da wundern, dass Zehntausende mitreden wollen und die Entscheide dadurch nicht leichter zu fällen sind. Wohl noch wichtiger ist, dass die meisten Menschen eher Angst vor als Lust auf Veränderungen haben, solange ihre Situation nicht sehr ungemütlich geworden ist. Darin unterscheiden sie sich aber stark von den Leuten, die in Wirtschaft und Politik Führungsaufgaben übernehmen: Viele Führungskräfte sind geradezu unglücklich, wenn es nichts zu verändern gibt und gehen auch grössere Risiken ein als die Bevölkerungsmehrheit. Mut zum Risiko wird in der Marktwirtschaft häufig mit höheren Gewinnen belohnt, was umgekehrt auch bedeutet, dass risikoscheue Firmen irgendwann aus dem Markt gedrängt werden. Wenn zu hohe Risiken eingegangen werden, dann kann - wie in der Finanzkrise von 2007 - immer noch der Staat einspringen, die Firma aufgekauft werden oder Konkurs gehen. Die Folgen haben die allzu risikofreudigen Manager in solchen Fällen meist nur zu einem kleinen Teil selbst zu tragen, die Aktionäre und vor allem die Mitarbeitende werden in der Regel stärker getroffen. Für die Mitarbeitenden gibt es aber immer noch ein staatliches Auffangnetz (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe). Man sieht daran: würde man die Prinzipien der Marktwirtschaft einfach so auf den Staat übertragen, dann könnte das nicht aufgehen: Weder lassen sich gescheiterte Staaten einfach von anderen Staaten aufkaufen und so sanieren, noch gibt es irgendwo einen Superstaat, der ein Auffangnetz für gescheiterte Staaten bereit hält. Umgekehrt kann man realistischerweise von der Demokratie auch nicht erwarten, dass sie schneller als eine andere Regierungsform auf langfristige Trends reagiert und etwa eher bereit ist, einschneidende Massnahmen gegen langfristige, vorhersehbare Risiken zu ergreifen. Beispiele dazu finden sich in der Umweltschutzpolitik: In den 1950er-Jahren liess sich die Bevölkerung Westeuropas und Nordamerikas ohne grossen Aufwand von der Fortschrittsgläubigkeit der Fachleute anstecken, der Bau von Autobahnen und Atomkraftwerken fand breiteste Zustimmung. Dabei überwogen ganz offensichtlich die schnellen Verlockungen des Wohlstandes nicht nur vor den Ängsten sondern auch vor einer nüchternen Einschätzung der langfristigen Risiken. Warum funktioniert Demokratie trotzdem besser als andere Staatsformen?Schnelle oder akzeptierte Entscheide?Zunächst sollte man sich erinnern, dass demokratische Verfassungen der Wirtschaft und den einzelnen Personen wesentlich mehr Freiheiten einräumen als autoritäre Regimes jeder Sorte (Kommunismus, Gottesstaat, Militärdiktatur etc.). Der demokratische Staat setzt nur einen verlässlichen Gesetzesrahmen und sorgt für eine Grundversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Leistungen, die von Privaten nicht gewinnbringend erbracht werden könnten oder umgekehrt schnell zur schamlosen Ausbeutung von Monopolsituationen führen würden. Die damit noch in einer Demokratie notwendigen Entscheidungen sind entweder von grosser Tragweite für weite Bevölkerungsteile - oder aber sie betreffen bloss die Umsetzung solcher Entscheide und werden somit nicht im engeren Sinne demokratisch, sondern (im gesetzlichen Rahmen) durch die ausführenden Behörden getroffen. Damit ist die Demokratie in der Umsetzung der Entscheide ebenso schnell wie die Privatwirtschaft. Der Vorwurf, die Demokratie sei zu langsam, lässt sich also bei genauerer Betrachtung nicht aufrecht erhalten. Es gilt auch einen weiteren Unterschied zwischen Staat und Wirtschaft ernst zu nehmen: Wer wichtige Entscheide der Geschäftsleitung nicht mittragen will, kann sich eine neue Stelle suchen bzw. kann entlassen werden. Diese Möglichkeit ist auf der staatlichen Ebene stark eingeschränkt. Zwar kann die einzelne Person auswandern, aber der Preis dafür ist ungleich höher als beim Wechsel des Arbeitgebers: Kontakte zu Familie und Freunden verändern sich dramatisch, man wechselt in eine andere Kultur, verliert politische Rechte usw. Wenn umgekehrt der Staat seine Bürger zur Ausreise zwingt, wird dies von den Betroffenen und von der Öffentlichkeit als extremer Eingriff in die Grundrechte empfunden (Leute die etwas älter sind als Juli Zeh dürften sich noch an die Ausbürgerungspraxis der so genannten DDR erinnern). Während im Rahmen einer Firmen-Reorganisation oft in kurzer Zeit 10 - 20% der Belegschaft eine Firma freiwillig verlassen oder entlassen werden, ist eine Massenauswanderung aus einem Land in diesem Umfang schlicht nicht möglich. Demokratische Verfassungen garantieren deshalb, dass eigene Bürger nicht aus dem Lande ausgewiesen werden können.
Dies bedeutet umgekehrt aber auch: So oder so sorgt der längere Entscheidungsprozess in einer Demokratie und der Einbezug von verschiedenen Interessensgruppen bzw. ihrer Vertreter dafür, dass die Veränderung sorgfältiger geplant wird und bei der Umsetzung nachher kaum mehr unüberwindbare Schwierigkeiten auftreten. Umgekehrt lassen sich undemokratisch gefällte Entscheidungen oft nur mit Zwang durchsetzen und führen meist weder zu dem von den Machthabern verfolgten Ziel noch zu einer Verbesserung für die Bevölkerungsmehrheit. Wer entscheidet besser: die "Besten" oder die Mehrheit?Lösen lässt sich der vermeintliche Widerspruch zwischen der Anforderung, die besten politischen Lösungen zu finden und der Erfahrung, dass dies nicht mit einer Auswahl der besten Köpfe, sondern durch die grosse Masse der "Durchschnittsbürger" am besten gelingt, wenn man zwei Dinge bedenkt:
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