Der Weg zur modernen Demokratie |
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Der Weg zur modernen Demokratie Die "Glorious Revolution" (1688) in EnglandNach turbulenten Jahrhunderten voller Machtkämpfe zwischen englischen, schottischen und irischen Adligen, während derer mehrere Könige und Königinnen ermordet oder hingerichtet wurden, erlebte Grossbritannien von 1649 - 1660 eine kurze Zeit der Republik unter der Militärdiktatur Cromwells. Nach Cromwells Tod wurde die Monarchie wiederhergestellt, schon 1688 gab jedoch die unverhoffte Geburt eines Thronfolgers und die damit verbundene Aussicht auf eine dauerhafte katholische Dynastie Anlass zur "Glorious Revolution". Das Parlament setzte Jakob II. ab und rief Wilhelm III. von Oranien zum König aus, ("Für die protestantische Religion und ein freies Parlament"), nicht ohne sich gleichzeitig grössere Mitspracherechte zu sichern (Declaration of Rights 1689). Exakt in dieses Jahr fällt auch die Veröffentlichung der theoretischen Begründung der Gewaltenteilung zwischen Legislative [gesetzgebende Behörde = Parlament] und Exekutive [ausführende Behörde = Regierung] durch John Locke (Two treatises of government). Moderne Demokratien: USAAn der nordamerikanischen Ostküste hatten im 17. Jahrhundert selbstbewusste Auswanderer aus Grossbritannien dreizehn Kolonien gebildet, die eine grosse Autonomie vom Mutterland genossen. Im 18. Jahrhundert errichtete Frankreich in Kanada, am Ohio und am Mississippi ein eigenes Kolonialreich und damit einen Ring um die englischen Kolonien, der ihre weitere Entwicklung verhinderte. Es kam zu einem Machtkampf, die Engländer vertrieben die Franzosen in einem 7-jährigen Krieg praktisch aus Nordamerika. Die britische Regierung versuchte einen Teil der Kriegskosten durch neue Steuern auf die Kolonien abzuwälzen. Proteste und Boykotte der Auswanderer bewogen die Regierung zwar zu einigen Rückziehern, doch das Festhalten an der Teesteuer führte zu gewalttätigen Protesten und harten Gegenmassnahmen der Regierung. Die Kolonien erklärten darauf am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit und setzten sie im Unabhängigkeitskrieg 1776 - 1781 auch durch. Es dauerte einige Zeit, bis die Kolonien sich darüber einigen konnten, wie die neu errungene Selbstständigkeit konkret aussehen sollte. Bei der Ausarbeitung ihrer Verfassung 1787-1789, die mit etwas mehr als 20 Zusätzen (Ammendments) bis heute gilt, orientierten sie sich an den Staatstheorien der Aufklärung, besonders an John Locke. Die Amtsbezeichnungen schauten sie dagegen dem antiken römischen Vorbild ab.
Die französische Revolution (1789 - 1799)Ab 1770 glitt Frankreich in eine anhaltende Wirtschaftskrise ab. Kleinbürger und Bauern hatten unter einer erdrückenden Steuerlast und ab 1787 unter einer galoppierenden Inflation zu leiden, während der Adel und der Klerus (Priester und Klosterleute) steuerbefreit waren und die Höflinge in Saus und Braus lebten. Die Grossbürger waren zwar zu Wohlstand gekommen, hatten aber politisch keinerlei Einfluss. Die Teuerungswellen führten zu mehreren Hungerrevolten und dem Staat drohte wegen der hohen Schulden erneut der Bankrott. So sah sich Louis XV. 1789 gezwungen, erstmals seit 1615 wieder die Vertreter der drei Stände (Adel, Klerus, gewöhnliches Volk) einzuberufen. Zwar wurde dem 3. Stand doppelt so viele Vertreter zugestanden, allein bei Abstimmungen sollte nicht die Anzahl der Vertreter, sondern die Anzahl der Stände ausschlaggebend sein. In dieser Situation erklärten sich die Vertreter des 3. Standes zusammen mit einem Teil des Klerus zur Nationalversammlung. Als der König ihre Auflösung befahl, erklärte sie sich zur verfassungsgebenden Versammlung. Der Pariser Volksaufstand vom 14. Juli (franz. Nationalfeiertag) mit dem Sturm auf die Bastille (Gefängnis für politische Gefangene, d.h. Leute, die keine Verbrechen begangen, sondern nur den König kritisiert hatten) zwang den König, die Nationalversammlung anzuerkennen. Im August wurden die Privilegien (Sonderrechte) des Adels abgeschafft und die Menschen- und Bürgerrechte verkündet. Da aber nicht Einsicht und Vernunft zu diesem Schritt geführt hatten, sondern Strassenschlachten, standen auch die folgenden Jahre unter dem Zeichen von Gewalt statt Menschenrechten. Der Weg zur Verfassung von 1791 war von beinahe endlosen Streitigkeiten über die Verteilung der Macht geprägt. Zunächst setzten sich die Besitzenden durch: nach der Verfassung von 1792 waren nur wohlhabende Bürger wahlberechtigt. Im April 1792 erklärte man Österreich (wohin adlige Emigranten bevorzugt geflohen waren) den Krieg. Am 10. August 1792 stürmten die Montagnards (Anhänger der radikalen "Bergpartei", die für die Abschaffung der Monarchie und ein allgemeines, vom Einkommen unabhängiges Wahlrecht eintrat) das königliche Tuilerienschloss. Der König und die gemässigt - grossbürgerliche Stadtregierung von Paris wurden abgesetzt. Die Montagnards ermordeten in einer grauenhaften Mordwelle weit über tausend Gegner, darunter nicht nur Anhänger des Ancien Régime sondern auch Revolutionäre von 1789. 1793 wurde auch der König hingerichtet. Bis 1794 wüteten die Montagnards unter Robespierre mit ihrem revolutionären Terror. Als die Eroberung Belgiens durch die Revolutionsarmee die Gefahr von aussen gebannt hatte, brach die "nausée de la guillotine" (der Ekel vor den Hinrichtungen mit dem Fallbeil) voll durch, Robespierre wurde gestürzt und mit seinen engsten Freunden hingerichtet. Die neuen Machthaber (das Direktorium) waren bestechlich und fällten willkürliche Entscheide, zudem mussten sie die Auswirkungen der in den Revolutionsjahren angestauten Inflation ausbaden: sie waren sehr unbeliebt. 1795 probten nach der Verabschiedung der ersten republikanischen Verfassung Royalisten (Anhänger des Königs) den Aufstand, er wurde von General Bonaparte niedergeschlagen.
Bonaparte führte den von den Revolutionären der ersten
Stunde als "Kreuzzug zur Befreiung der europäischen
Völker" begonnenen Krieg gegen Österreich und
Preussen, der bald zur nationalen Sache Frankreichs (Gewinnen
der "natürlichen Grenzen" Rhein - Jura - Westalpen)
geworden war, als Eroberungsunternehmen weiter, um von Italien aus
eine Mittelmeerherrschaft zu errichten.
Abschliessende WürdigungDie moderne Demokratie beruht auf den Staatstheorien der Philosophen der Aufklärung (17. - 18. Jahrhundert). Die damals formulierten Prinzipien wie Gewaltentrennung zwischen Gesetzgebung (Legislative: Parlament), Ausführung der Staatsaufgaben (Exekutive: Regierung und Verwaltung) und Rechtssprechung (Judikative: Gerichte) und deren gegenseitige Kontrolle; sowie der Grundsatz gleicher Rechte (Liberté: Freiheit, egalité: Gleichberechtigung, fraternité: Solidarität) stellen wesentliche neue Elemente gegenüber den Frühformen der Demokratie in Athen und Rom dar. In diesen Klassengesellschaften hatten die Sklaven kaum und die übrigen Bürger sehr ungleiche Rechte. In einer modernen Demokratie sind die Volksrechte gegenüber dem Modell von Athen erweitert. Trotzdem sind den antiken Demokratien drei wesentliche Punkte mit den modernen Demokatien gemeinsam:
Es gilt zu beachten, dass nach aller Erfahrung mit Demokratie die Überlegenheit dieser Staatsform gegenüber anderen Staatsformen hauptsächlich auf der Tatsache beruht, dass sie auf der Gewaltenteilung und weiteren Kontrollmechanismen beruht, die keine einzelne Person oder Partei allzu mächtig werden lassen. Die US-amerikanische Verfassungslehre spricht in diesem Zusammenhang von "checks and balances". Wo diese fehlen oder nicht funktionieren (z.B. in der französischen Revolution oder in der "Weimarer Republik" in Deutschland nach 1918) ist der Weg in eine Diktatur leider meist recht kurz. Auch in der Schweiz des 18. Jahrhunderts musste sich bei der "classe politique" und im Volk das Gespür dafür erst nach und nach herausbilden. Insofern verdanken die Schweiz ihre in der Substanz heute noch gültige und sehr bewährte Bundesverfassung eben nicht nur ihren geistigen Vätern und ihren Parteigängern, die ihr an der Urne zum Durchbruch verholfen haben, sondern auch ihren konservativen Gegnern, die erste Anzeichen von Verfilzung zwischen Wirtschaft und Politik schnell erkannten. Ohne deren Widerstand wären die politischen Umwälzungen wohl nur allzuschnell in eine neue Diktatur ausgeartet. Mit dieser Überlegung sind wir beim aktuellen Geschehen in Italien angelangt, wo der Medien-Unternehmer Silvio Berlusconi nicht nur Mühe bekundet, Politik und private Geschäfte auseinander zu halten, sondern im Herbst 2002 eine Justizreform durchgedrückt hat, die mit Rückwirkungsklauseln darauf abzielt, für sich und seine Firmen in diversen laufenden Prozessen Straffreiheit zu erlangen. Zudem wurde die Leitung des staatlichen Radios und Fernsehens RAI mit Berlusconi nahe stehenden Leuten besetzt, so dass Berlusconi zusammen mit seinen privaten Stationen schon beinahe eine Monopolstellung innehat. Im Sinne der "checks and balances" ist dies eine höchst bedenkliche Entwicklung und man begreift, weshalb die übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht nur ein Recht, sondern geradezu eine Pflicht haben, dagegen ihre Bedenken anzumelden. Gut gibt es die EU, die eine solche Einflussnahme in die angeblich "inneren Angelegenheiten" eines anderen Staates einfacher macht! |
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