DEMOKRATIE Philosophische Grundlagen
der modernen Demokratien
Staatstheorien
der Aufklärung
 
Startseite  Grundlagen
Definition von Demokratie Staatsaufgaben Gewaltentrennung Menschenrechte Rechtsstaatlichkeit Pressefreiheit Religionsfreiheit Gleichberechtigung  Formen der
 Demokratie

Demokratietypen Parteien Wahlsysteme Föderalismus Direkte Demokratie  Geschichte
Antike: Athen/Rom Staatstheorien Revolutionen Kulturkampf Frauenstimmrecht Globalisierung

Der Weg zur modernen Demokratie
Der Weg zur modernen Demokratie Glorious Revolution (GB, 1688), Unabhängigkeit der USA (1776) und Französische Revolution (1789): Erfolgreiche und gescheiterte Experimente auf dem Weg zur modernen Demokratie.
mehr ...


Helvetische Revolution
Freiheitsbaum, Basel 1798 Die Schweiz sieht sich gerne als die älteste Demokratie der Welt. Dass dieses Bild ziemlich schief ist, zeigt ein Blick auf die Schweizer Geschichte von 1795-1815.
mehr ...


Demokratie
und
Bundesstaat
Der Weg der Schweiz zum modernen demokratischen Bundesstaat  Der Weg der
 Schweiz
 zur modernen
 Demokratie blieb über das gescheiterte Experiment mit der zentralistischen Helvetischen Republik hinaus verbunden mit Bestrebungen zur Vereinheitlichung von Gesetzen und Institutionen. Der 1848 erzielte Kompromiss, ein föderalistischer Bundesstaat, hat sich bis heute bewährt.
mehr ...


Demokratie
in der Antike
Liktorenbündel Die Demokratie im antiken Athen und Rom lässt sich kaum mit einer modernen Demokratie vergleichen. In Athen und Rom gab es rechtlose Sklaven und ungleiche Rechte für die übrigen Bürger. Mit dem Aufstieg zur Grossmacht wurde die Demokratie durch Stimmenkauf ausgehöhlt und schliesslich durch Militärdiktaturen abgelöst.
mehr ...



 

Staatstheorien der Aufklärung

Die moderne Demokratie ist - wie ihre antiken Frühformen in Athen und Rom als Reaktion auf Machtkonzentration und Machtmissbrauch entstanden. Die Wurzeln der modernen Demokratie liegen in der Staats-Philosophie der Aufklärung im 17. - 18. Jahrhundert (siehe unten). Die Glorious Revolution brachte 1688 in England die konstitutionelle Monarchie mit einem starken Parlament, die man aber in der damaligen Form noch nicht als moderne Demokratie bezeichnen kann. Die erste moderne Demokratie der Welt wurde 1776 in den USA geschaffen. Die Französische Revolution wollte zwar die Demokratie einführen, endete jedoch in Chaos, Anarchie und in der Militärdiktatur von Napoleon.

Die Helvetik versuchte 1798 auch in der Schweiz echt demokratische Verhältnisse einzuführen, sie scheiterte an ihrer radikalen Ablehnung bisheriger Werte und Normen (Föderalismus, Religion) und ging mit Napoleon 1815 unter. Immerhin zählte die neue Schweizerische Eidgenossenschaft nun 22 statt nur 13 Kantone und die gröbsten Ungleichheiten zwischen Stadt und Land blieben beseitigt. Erst der nach langem Ringen geschaffene Bundesstaat von 1848 brachte der Schweiz - als erstem Land Europas - eine bis heute stabile, demokratische Ordnung als Republik. Die Einführung der Demokratie bedeutete aber nicht bloss einen Kampf um gleiche Rechte zwischen dem Bürgertum und den Adligen, bzw. in der Schweiz zwischen der Landbevölkerung und den städtischen Aristokraten oder Patriziern, sondern mindestens ebenso sehr einen Kulturkampf zwischen Liberalen und Konservativen (und speziell der Kirche).

Dieser Machtkampf wurde in Frankreich, Deutschland und in der Schweiz unter je unterschiedlichen Rahmenbedingungen und mit unterschiedlichem Resultat geführt: In der Französischen Revolution kam es zu blutigen Verfolgungen von Kirchentreuen und langfristig zu einer vollständigen Trennung von Kirche und Staat. Dagegen verfolgte der deutsche Reichskanzler Bismarck bei seiner Spielart des Kulturkampfes nicht freiheitliche Interessen des Volkes sondern Machtinteressen des Kaisers gegen den Papst; er fand zu wenig Verbündete und musste klein beigeben. In der Schweiz wurde der Kulturkampf auch auf der leicht überschaubaren regionalen Ebene der Kantone geführt, Liberale und Konservative fanden gegenseitig immer raffiniertere Instrumente, um den politischen Gegner in Schach zu halten. Daraus entstand die Direkte Demokratie in der Schweiz.



Absolutismus und Aufklärung

Der französische Philosoph Jean Bodin (1530 - 1596) forderte in seiner Schrift "De la République" 1576 unter dem Eindruck der nicht endenden Morde und Kämpfe zwischen der katholischen und der hugenottischen Adelspartei einen Staat mit einer starken, zentralen Gewalt, die für Ordnung sorgen würde. Henri IV. und sein Nachfolger Louis XIII. (1610 - 1643) versuchten diese Idee des Absolutismus (alle Gewalt dem König) umzusetzen. Im 17. Jahrhundert stieg Frankreich durch geschickte Diplomatie und mehrere Kriege gegen Spanien und deutsche Fürsten zur Grossmacht auf und konnte seine Grenzen ausdehnen. Im Inneren entmachtete Kardinal Richelieu (1624 - 1642) als leitender Minister den Hochadel, setzte eine zentrale Verwaltung des ganzen Reiches durch königliche Beamte durch und hob die Rechte der Hugenotten wieder auf.

Beeindruckt von Frankreich, verfeinerte der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588 - 1679) in seinem Werk "Leviathan" (1651) die Theorie von Bodin: Weil die Menschen von Natur aus zum Krieg aller gegen alle neigten, würden sie - aus reinem Selbsterhaltungstrieb - zu einem Vertrag gezwungen, in dem sie ihre natürlichen Rechte unwiderruflich dem Staat abtreten, der die Herrschaft über alle Untertanen absolut ausübt, am vollkommensten in einer Person, dem König.

Nach den Auswüchsen geballter königlich - kirchlicher Machtansprüche in Frankreich und Deutschland in der absolutistischen Monarchie musste das Pendel zwangsläufig wieder in die Gegenrichtung ausschlagen: Die grosse Ausbreitung des evangelischen (am deutschen Reformator Martin Luther orientierten) und reformierten (an den Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin orientierten) "neuen" Glaubens einerseits und die praktischen Erfolge der modernen Naturwissenschaft andererseits hatten längst die mittelalterliche Gewissheit einer angeblich "allein selig machenden" Wahrheit, die von der römisch - katholischen Kirche mit dem Papst an der Spitze gehütet werde, in ihren Grundfesten erschüttert. Die Gräuel des Dreissigjährigen Krieges trugen ein übriges dazu bei, die Glaubwürdigkeit der Kirchen (auch der protestantischen) zu untergraben. Die Kirche konnte nun Leute, die ihre Lehren in Frage stellten, nicht mehr einfach als gottlose Ketzer bezeichnen und mit der Androhung der Todesstrafe zum Schweigen bringen, denn man konnte sich innerhalb Europas in einem protestantischen Gebiet vor ihrem Zugriff in Sicherheit bringen.

Bald schon wurden nicht nur die Lehren der Kirche kritisch hinterfragt, sondern grosse Philosophen (Leute, die über die Welt, die Menschen und den Sinn des Lebens nachdenken) begannen ganz grundsätzlich nach den Regeln des Zusammenlebens der Menschen, nach den Aufgaben des Staates und den Rechten und Pflichten der einzelnen Menschen zu fragen. Dabei nahmen sie nichts mehr für selbstverständlich, was Jahrhunderte lang gültig gewesen war, sondern zweifelten immer mehr daran, ob die Ordnung, wie sie in Europa seit der Zeit des Frankenreiches herrschte, wirklich die bestmögliche sei.


Gleiche Rechte für alle

John Locke (1632 - 1704) erklärte in seiner Schrift "Two treatises of government" (1690), dass jeder Mensch ein Recht auf Gleichheit (gleiche Behandlung ungeachtet der Herkunft), Freiheit und Unverletzlichkeit seiner Person und seines Eigentums habe. Zudem sollten im Staat nicht die gleiche Leute Gesetze machen (Legislative) und diese umsetzen (die staatliche Verwaltung führen, Exekutive). Das Volk sollte die Regierungsform selbst bestimmen können. Damit legte er die Grundlagen der modernen Demokratie.

Seine Ideen bestimmten wesentlich die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika (U.S.A.) von 1776, den französischen Verfassungsentwurf von 1791 und damit indirekt auch die Schweizerische Bundesverfassung von 1848. Locke machte sich auch Gedanken über das Verhältnis zwischen der individuellen Freiheit des einzelnen Menschen und der Gleichheit aller Menschen in einem Land. Er erkannte sehr wohl, dass zu grosse Ungleichheit entsteht, wenn jeder ohne Rücksicht auf die anderen machen darf, was er will - denn dann werden die Starken zu mächtig und übervorteilen die Schwächeren.


Gewaltentrennung

Der Franzose Charles de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu (1689 - 1755) gilt als Vorläufer für fast alle Sozialwissenschaften. In seinen 1721 anonym (ohne Nennung seines Namens) veröffentlichten "Persischen Briefen" kritisierte er scharf die Zustände in Frankreich. Er entwickelte John Lockes Idee der Gewaltenteilung im Staat weiter, ein Prinzip, das in allen modernen Staatsverfassungen ganz wichtig ist: Legislative (Parlament = gesetzgebende, gewählte Vertretung des Volkes), Exekutive (ausführende Regierung) und Judikative (richterliche Gewalt) sollten sich gegenseitig kontrollieren, damit nicht einzelne Personen oder Gruppen zu mächtig werden und sich selbst Vorteile verschaffen, statt dem Gemeinwohl zu dienen.


Satire und bissiger Spott als politisches Druckmittel

Der französische Dichter und Philosoph Voltaire (François Marie Arouet, 1694 - 1748) machte in seinen Satiren den König, seine Regierungsmitglieder und wichtige Kirchenleute durch Übertreibung lächerlich und versuchte so, den Leuten die Fehler und Schwächen der angeblich von Gott eingesetzten Herrscher aufzuzeigen. In seinem Roman "Candide oder Die beste Welt" (1759) wird die Behauptung des konservativen deutschen Philosophen Leibnitz ad absurdum geführt [ihre Sinnlosigkeit aufgezeigt], die Leute zur Zeit Voltaires würden in der "besten aller möglichen Welten leben". Wir heute haben es natürlich leicht, darüber zu lachen, denn im Nachhinein ist man bekanntlich ja immer schlauer ...

Voltaire wurde 1717 wegen einer Satire auf Ludwig XIV. für 11 Monate im berüchtigten Gefängnis Bastille inhaftiert. Nach seiner Freilassung hatte er grosse Erfolge und wurde vom königlichen Hof toleriert, doch 1726 wurde er wegen Anmassung adliger Privilegien erneut verurteilt. 1734 drohte ihm wegen der scharfen Kritik in den "Philosophischen Briefen" erneut die Verhaftung, der er sich durch Flucht aufs Land entzog. 1750-1752 weilte Voltaire auf Einladung des preussischen Königs Friedrich d. Grossen in Berlin, wurde aber dort in Ungnade entlassen, weil er auch seine Kollegen nicht eben höflich behandelte. Nach Aufenthalten im Elsass und in der Schweiz liess er sich 1760 auf Schloss Ferney bei Genf (auf französischem Boden) nieder und kehrte erst im hohen Alter nach Paris zurück.
Mehr: Voltaire, Leben und Werk


Jean-Jacques Rousseau: Gesellschaftsvertrag (contrat social)

Der Genfer Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778) verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich und gilt deshalb als französischer Philosoph. Auch er musste zeitweise in die Schweiz zurück kehren, um der Verfolgung zu entgehen. In seiner politischen Philosophie forderte er gleiche Rechte für alle Bürger unter einer demokratisch ausgeübten Kontrolle. Rousseau ging davon aus, dass die Menschen von Natur aus frei und gleich und dazu fähig seien, über sich selbst zu bestimmen. Dies war im Wesentlichen genau das Gegenteil der Staatstheorie von Thomas Hobbes. Rousseau forderte statt der Abtretung aller Rechte an den absoluten Staat einen in Freiheit ausgehandelten contrat social (Gesellschaftsvertrag). Rousseaus Weltbild stand auch in einem scharfen Gegensatz zur Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit vieler seiner Zeitgenossen. Sein Ruf "zurück zur Natur" ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Rousseaus Erziehungstheorie, ebenfalls 1762 veröffentlicht, beeinflusste berühmte Erzieher (u.a. den Schweizer Heinrich Pestalozzi) nachhaltig.

Hobbes hatte aus der an sich richtigen Erkenntnis, dass die Menschen von Natur aus im wesentlichen Egoisten sind, die nur auf ihren eigenen Vorteil schauen, den falschen Schluss gezogen, dass ein mächtiger König für Ruhe und Ordnung sorgen müsse. Dabei übersah er, dass jeder König selbst auch ein Mensch und damit ein Egoist ist, und dass Macht korrumpiert (den Charakter verdirbt). Dies hätte Hobbes am Beispiel des Mönches Hildebrand, der - als Reformpapst Gregor VII. (1073 - 1085) gewählt - sich zu einer beispiellosen Arroganz der Macht verstieg, eigentlich erkennen können.

Rousseau dagegen machte sich Illusionen [mehr seinem Wunsch als der Wirklichkeit entsprechende Vorstellungen] von der Natur des Menschen, kam aber trotzdem zu der in der Geschichte seither bewährten Einsicht, dass alle Menschen die Ordnung der menschlichen Gesellschaft mitbestimmen sollten und dass sie unveräusserliche Grundrechte besitzen, die jede Gesellschaftsordnung garantieren muss, wenn sie Bestand haben soll. Rousseau überschätzte bei weitem die "angeborenen Stärken" der Menschen, insbesondere ihre Fähigkeiten, vorausschauend, vernünftig und mit Blick auf das Gemeinwohl statt auf den kurzfristigen persönlichen Vorteil zu entscheiden. Er erwartete, dass sie, einmal von der hergebrachten mittelalterlichen Gesellschaftsordnung befreit, ohne weiteres zu einer volonté générale [einem allgemeinen Volkswillen] finden würden. Den Wert von Gesetz und Erziehung im althergebrachten Sinn achtete er zu gering. So erstaunt es nicht, dass sich seine praktischen Erziehungsvorschläge schon beim eigenen Sohn nicht sonderlich bewährten. Die volonté générale, von Rousseau nicht fertig durchdacht, konnte nicht nur demokratisch verstanden werden, sondern wurde auch in der französischen Revolution wie im Kommunismus als Rechtfertigung für Diktaturen benützt.

Rousseaus Bedeutung liegt deshalb mehr in den Denkanstössen, die seine Ideen bei anderen Philosophen (u.a. Kant, Schiller, Goethe, Herder) auslösten. Ihm verdankt die Welt die in jeder modernen Verfassung seit der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 enthaltene Garantie der Grundrechte und den Anstoss zur "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" die von der UNO 1948 unter dem Eindruck der Gräuel des 2. Weltkriegs erlassen wurde.
Mehr: Jean-Jacques Rousseau: Du Contrat Social (französischer Quelltext)


Gotthold Ephraim Lessing und die Toleranz

Nicht nur das politische System, auch die Rechtssprechung, insbesondere die Hexenverfolgung und die im Mittelalter systematisch angewendete Methode der Folter, um Geständnisse zu erpressen, wurden nun kritisch hinterfragt. Unter den Schriftstellern ist Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781) der bedeutendste Vertreter der Aufklärung im deutschen Sprachraum. Im Drama "Nathan der Weise" (1779) stellte er die Frage nach der religiösen Wahrheit.

Ein Vater besitzt einen wertvollen Ring und verspricht auf dem Totenbett jedem seiner drei Söhne, dass er ihm den Ring vermachen und ihn damit symbolisch zum Familienoberhaupt bestimmen werde. Nach seinem Tod merken die drei Brüder, dass jeder von ihnen einen Ring bekommen hat - und niemand weiss, welcher der echte ist. Die Geschichte endet damit, dass die Brüder nach langem Streit entscheiden, dass jeder durch seine guten Taten beweisen soll, dass er würdig ist, den Ring zu tragen.

Die drei Brüder stehen symbolisch für die drei grossen Religionen des europäisch-nahöstlichen Kulturraums: Judentum, Christentum und Islam. Statt eine Antwort darauf zu geben, welche der drei Religionen denn nun die wahre und richtige sei, verweist Lessing darauf, dass sich alle drei grundsätzlich darin einig sind, dass Religion die Menschen zu einem guten Leben und zur Nächstenliebe erziehen soll. Deshalb fordert er, dass die Religionen den Tatbeweis erbringen sollen statt endlos darüber zu streiten, welche Religion die richtige sei.



zurück: Demokratie in der Antike Antike: Athen/Rom Demokratie: Grundzüge und Geschichte einer anspruchsvollen Staatsform
Definition von Demokratie
Weiter: Der Weg zur modernen Demokratie
Haftungsausschluss demokratie.geschichte-schweiz.ch © 2004-2008 Alle Rechte vorbehalten Impressum